#abst14

Aufreibender Abstimmungssonntag mit Nachspiel

Die Stimmzettel sind ausgezählt, die Ergebnisse sind da: Mit einer hohen Stimmbeteiligung von über 50 Prozent und der Annahme des „Bundesbeschluss[es] über die medizinische Grundversorgung“ beruhigt der Abstimmungssonntag die angespannten Politiknerven – die restlichen drei Vorlagen laden jedoch zur Nachbesprechung ein.

Faire Löhne liegen weiterhin in der Hand der Arbeitgeber_innen

Unerwartet kam das Nein zur Volksinitiative „Für den Schutz fairer Löhne (Mindestlohn-Initiative)“ nicht, trotzdem bleibt eine leichte Enttäuschung darüber, dass Arbeitnehmer_innen in der Schweiz auch in Zukunft davon abhängig sind, dass ihre Arbeitgeber_innen von sich aus Löhne auszahlen, welche ein Leben in Würde ermöglichen. Man kann nur hoffen, dass das von Hans-Ulrich Bigler im TV-Interview angesprochene „Vertrauensvotum“, welches die stimmberechtigen Personen in der Schweiz den Arbeitgeber_innen ausgesprochen habe, von diesen ebenso pflichtbewusst bei der Lohnsetzung berücksichtigt wird wie das Ergebnis freudig gefeiert wurde.

Gewährter Vertrauensvorschuss beim Thema „Jugendliebe“ – Fehler oder Anspruch?

Es gibt viele Dinge, die nach der Annahme der Volksinitiative „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen“ diskutiert werden müssen, allen voran die Art und Weise der Umsetzung der Initiative: Wie Bundesrätin Simonetta Sommaruga in der offiziellen Medienkonferenz des Bundesrates zu den Abstimmungen und auch in den Erläuterungen des Bundesrates im Vorfeld der Abstimmung erläutert hat, bringt die Annahme der Initiative Bundesrat und Parlament in ein Dilemma. Besonderer Dorn im Auge sind in diesem Zusammenhang Natalie Ricklis Aussagen diesbezüglich: Hatte die Zürcher SVP-Nationalrätin noch Tage vor der Abstimmung auf Twitter beteuert, „Jugendlieben“ seien von der Initiative nicht betroffen (mit dem Verweis auf das Merkblatt des Initiativ-Kommitees zu dem Thema), erwähnte sie diese Problematik mit keinem Wort mehr, als sie nach der schwierigen Umsetzung der Initiative im TV gefragt wurde. Im Gegenteil: Es gäbe keine Probleme bei der Umsetzung der Initiative, diese solle so schnell wie möglich umgesetzt werden. Schade, dass hier so unfair und heuchlerisch politisiert wird.

„@BuenzliEtc @AndreaCaroniAR So en Seich! Jugendlieben […] sind nicht betroffen! daa.li/x2B“ (Twitter)

Des Weiteren ist hier erneut darauf hinzuweisen, dass die Annahme der Initiative höchsten ein kleiner Tropfen auf dem heissen Stein darstellt, denn sie wird es nicht alleine schaffen, Kinder vor sexuellen Übergriffen zu schützen. Die Annahme der Vorlage verpflichtet deren Befürworter_innen dazu, in Zukunft die Augen offen zu halten, eigene und fremde Kinder zu selbstbewussten Menschen heranwachsen zu lassen, welche sich gegen sexuelle Übergriffe bestmöglich zur Wehr setzen können und dieses Verhalten auch von anderen Personen einzufordern. Nur so kann man wirklich etwas gegen die sexuelle Misshandlung von Kindern und abhängigen Personen tun.

Ein Absturz, der nach Analysen schreit – der Gripenfonds

Ein Kommentar zur Ablehnung des „Bundesgesetz[es] über den Fonds zur Beschaffung des Kampfflugzeugs Gripen“ fällt im Moment schwer, denn wie auch Bundesrat Ueli Maurer heute verlauten liess: Es braucht Analysen. Dennoch ist davon auszugehen, dass zukünftige Beschaffungen von allfälligen Flugzeugen teurer zu stehen kommen wird, als diejenige des Gripen. Ebenfalls sicher ist, dass eine tüchtige Luftwaffe sowohl zur Sicherheit der Bevölkerung und der Wahrung der Neutralität beiträgt – man kann also auch erwarten, dass nach Alternativlösungen gesucht werden wird. Mit der Einschätzung, dass das Gripenreferendum genauso viel „Nachspiel“ wie „Vorspiel“ (immerhin wird der Gripen seit mehreren Jahren schon diskutiert) haben wird, liegt man wahrscheinlich richtig.

Geld, Gerechtigkeit und die Mindestlohn-Initiative

Gerechtigkeit ist ein schwieriges Konzept, denn jeder Mensch hat seine persönliche Vorstellung davon, was im Leben „gerecht“ und „ungerecht“ ist. Dass „gerecht“ im Auge des Betrachters liegt, lehrt uns beispielsweise das Gleichnis vom Weinberg (Mt 20): Es handelt von drei verschiedenen Arbeitergruppen, welche jeweils eine vorher mit dem Besitzer des Weinberges festgelegte Dauer im Weinberg arbeiten und am Ende des Tages den vorher ausgemachten Lohn ausgezahlt erhalten. So weit, so gut: Der Arbeitgeber hat sein Versprechen gehalten und alle Arbeiter der Abmachung entsprechend bezahlt. Folglich sollte man meinen, alle Beteiligten würden sich „gerecht behandelt“ fühlen. Der Clou dabei ist jedoch, dass alle Arbeiter den gleichen Lohn erhalten und zwar egal, ob sie den ganzen Tag im Weinberg geschuftet haben oder nur eine Stunde: Sie alle erhalten jeweils einen Dinar. Nun zeigt sich, dass die Beantwortung der Frage, ob das Verhalten des Arbeitgebers hier „gerecht“ oder „ungerecht“ sei, komplexer als erwartet ist.

Mindestlohn2

An dieser Stelle soll von einer theologischen Lesart des Gleichnisses abgesehen werden. Wir nehmen aber mit, dass in der Geschichte drei Punkte zur Diskussion über eine gerechte Entlöhnung der geleisteten Arbeit geführt haben: Erstens stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang zwischen geleisteter Arbeit und deren Bezahlung: Logisch erscheint, dass eine längere Dauer geleisteter Arbeit höher entlöhnt werden soll. Ein Stundenlohn, wie wir ihn heute kennen, hätte also zu einer Schlichtung beitragen können. Zweitens merken wir uns, dass dieser Stundenlohn im Voraus abgesprochen hätte werden müssen und dass er für alle Arbeiter gleich hoch hätte sein müssen. Nur durch das vorherige Absprechen der Löhne im Vergleich zu jenen der anderen Arbeiter hätte den Konflikt verhindern können. Dennoch muss drittens festgehalten werden, dass schlussendlich alle Arbeiter einen Lohn erhielten, der in etwa die Lebenshaltungskosten deckte.

Die Ziele der Initiative

Mit der Mindestlohn-Initiative hat das schweizer Stimmvolk die Möglichkeit, sich dieser drei Aspekte anzunehmen. Die Mindestlohn-Initiative fordert einen Stundenlohn von mindestens 22 Franken, was einem monatlichen Einkommen von rund 4000 Franken (ohne 13. Monatslohn) bei  hundertprozentigem Anstellungsverhältnis entspricht. Alle Menschen, die in der Schweiz Arbeit verrichten, sollen Anspruch auf dieses Mindestgehalt erhalten, egal, welchen Geschlechts, Alters oder Nationalität. Ausnahmen werden bei der Entlöhnung von Lehrlingen und Mitarbeiter_innen in geschützten Arbeitsverhältnissen eingeräumt.

Vielschichtige „Gerechtigkeit“

Um auf die Frage nach „Gerechtigkeit“ zurückzukommen: Natürlich ist unser heutiges Gerechtigkeitsverständnis ein anderes, als das in der Bibel illustrierte. Gerecht ist das Ziel der die Initiative – der Mindestlohn – aber in vielerlei Hinsicht. Das überzeugendste Argument für die Annahme der Initiative ist, dass so gewährleistet wird, dass jede_r, der_die in der Schweiz arbeitet entsprechend fair und in einem solchen Ausmass entlöhnt wird, dass ein Leben „in Würde“ möglich ist. Dies bedingt, dass der erwirtschaftete Lohn zum Lebenserhalt ausreicht. Löhne unter 4000 Franken im Monat bringen Menschen, die hart arbeiten, oftmals an die Grenzen ihrer Existenz. Wer arbeitet, sollte sorgenlos sein Leben finanzieren können und auf ein wenig Luxus ab und zu nicht verzichten müssen. Dass arbeitende Menschen in der Schweiz teilweise auf Zusatzleistungen (Sozialhilfe) angewiesen sind, ist nicht nur untragbar für diese Menschen (da Minderwertigkeitsgefühle entstehen könnten), sondern verteuern auch den Sozialstaat.

Verantwortung auf beiden Seiten

Der Mindestlohn würde Arbeitgeber dazu verpflichten, ihren Angestellten einen angemessenen Lohn zu bezahlen. Es scheint nur gerecht, dass wer von der  Arbeit seiner Angestellten profitiert, diesen ein Gehalt bezahlt, welches alleinig zum Unterhalt ausreicht. Arbeitgeber fordern quantitativ und qualitativ hochwertige Arbeit; Arbeitnehmer dürfen dafür einen angemessen Lohn verlangen. Das von Arbeitgebern erwirtschaftete Lohndefizit muss heute von den Steuerzahlern mithilfe der Sozialhilfe gefüllt werden. Die finanzielle Sicherung von Arbeitnehmern ist eigentlich nicht Aufgabe der Steuerzahler, sondern der Arbeitgeber (und der Arbeitslosenversicherung, IV, AHV etc.). Die Annahme der Initiative würde also die Sozialhilfe entlasten. Zudem werden Arbeitgeber, die heute bereits faire Löhne bezahlen, vor schlecht zahlender Konkurrenz geschützt und ihr faires Entlöhnungssystem wertgeschätzt.

Gleichbehandlung aller Geschlechter

Des weiteren hilft die Mindestlohn-Initiative auch die Lohnungleichheiten zwischen den Geschlechtern zu minimieren. Viele der in unterbezahlten Arbeitsstellen beschäftige Menschen sind heute Frauen und/oder Personen, welche ihr Gehalt in eine Partnerschaft einbringen. Gerade arbeitende Mütter in schlecht bezahlten Berufen sind heute stark benachteiligt: Oft müssen sie Pensen bis zu 150 oder 200 Prozent aufbringen, wenn sie Beruf und Familie unter einen Hut bringen möchten: Nach dem anstrengenden Tag auf der Arbeit gilt es auch noch, den Haushalt zu bewältigen. Damit Frauen vermehrt die Möglichkeit haben, in ihrer Partnerschaft die Arbeitspensen (in Beruf und Haushalt) besser zu verteilen und damit Männer vermehrt die Möglichkeit haben, Teilzeitstellen anzunehmen, ist die Einführung eines Mindestlohns nötig. Das Argument, dass ein Mindestlohn unnötig sei, weil Menschen, die weniger als 4000 Franken pro Monat verdienen, diesen Lohn in eine Partnerschaft einbringen ist implizit eine Beleidigung, weil damit ausgedrückt wird, dass die geleistete Arbeit unnötig ist und dass es (darum) in Ordnung ist, sie nicht gerecht zu bezahlen.

Schlussfolgerung

JA zur Volksinitiative „Für den Schutz fairer Löhne (Mindestlohn-Initiative)“!

Die Mindestlohn-Initiative hat zum Ziel, allen in der Schweiz beschäftigten Personen einen Lohn zu garantieren, welcher die Lebenshaltungskosten deckt. Das ist „gerecht“, da alle Menschen somit mindestens so viel Geld pro Stunde verdienen, wie  es nötig ist. Die Gegenseite hat zwar argumentiert, der Mindestlohn sei mit 22 Franken, gerade im internationalen Vergleich, zu hoch angesetzt. Überschlägt man die Zahlen jedoch im Hinblick auf die Lebenshaltungskosten in der Schweiz, fällt auf, dass ein monatliches Gehalt von 4000 Franken keineswegs überrissen ist. Der Mindestlohn wäre ausserdem auch „gerecht“, weil er allen Menschen, die in der Schweiz arbeiten, das gleiche Mindestgehalt pro Stunde zuspricht und entsprechend der erbrachten Leistung (Arbeit in Stunden) abrechnet. Denn, und dies ist das Hauptargument für den Mindestlohn: Wer in der Schweiz Arbeit erbringt, soll davon ohne Zusatzleistungen oder einer Abhängigkeit von Ehepartner_in oder anderen Personen leben können, d.h. sich und seine Familie ernähren, sich selbst und anderen ab und zu etwas leisten und ohne Sorgen die Miete oder die Hypothek bezahlen können. 

Quellen

NEIN zur Initiative, die Gutes will, aber Schlechtes schafft

Emotionale Themen in der Politik sind wie das Salz in der Suppe – ohne es schmeckt die Suppe fad, gibt es zu viel von ihm, verwandelt es die wohlschmeckende Suppe in eine ungeniessbare Brühe. Politik ist also stets eine Frage des Masses, eine Gratwanderung zwischen Sachlichkeit und Emotionalität. Ohne Emotionen, Engagement und Interesse kommt kaum ein Wahl- oder Abstimmungskampf aus; ohne Sachlichkeit, Respekt und Besonnenheit aber arten politische Debatten aus, der eigentliche Sinn und Zweck wichtiger Überlegungen tritt in den Hintergrund und das politische Kräftemässen endet in viel Lärm um nichts.

nein-pädophile-sollen-nicht-mehr-etc

Die Volksabstimmungen vom 18. Mai 2014 halten verschiedene emotionale Themen bereit, wobei vor allem die Volksinitiative „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen“ gerne als das „emotionalste Thema“ der aktuellen Volksabstimmungen gehandelt wird. Das Thema rund um Pädophilie, Sexualität und Missbrauch spricht das Verantwortungs- und Gerechtigkeitsbewusstseins vieler Menschen an, die Tabuisierung von sexuellen Übergriffen scheint per se eine Diskussion auszuschliessen. Bei Volksabstimmungen sollte es aber grundsätzlich darum gehen, über Sachverhalte abzustimmen. Diese objektive Haltung eröffnet einen sachlichen Diskussionsraum, in dem die Emotionalität hinter die Sachlichkeit rücken soll und darf. Das Gefäss des sachlichen Diskussionsraums soll hier die Meinungsäusserung möglich machen. Es soll darum im Folgenden nicht darum gehen, eine Grundsatzdebatte zu führen, sondern darum, für einen konkreten Sachverhalt (Soll der Abstimmungstext so, wie sie auf Seite 20 des Abstimmungsbüchlein abgedruckt ist, angenommen werden oder nicht?) eine Position herausarbeiten zu können.

Der Abstimmungstext – darüber wird abgestimmt

Dazu wirft man am besten zunächst einen Blick auf ebenjenen Abstimmungstext: Dabei wird klar, dass der Titel der Initiative dem Abstimmungstext nicht gerecht wird, denn der Abstimmungstext beschränkt sich nicht auf „Personen, die verurteilt werden, weil sie die sexuelle Unversehrtheit eines Kindes […] beeinträchtigt haben“ (Bundeskanzlei 2014, 20), sondern bezieht sich auch auf „Personen die verurteilt werden, weil sie die sexuelle Unversehrtheit […] einer abhängigen Person beeinträchtigt haben“ (ebd.). Das Abstimmungsthema ist also viel komplexer, als es der Titel der Initiative vermuten lassen würde. Die Aussage des Initiativkomitees, dass „[d]ie Initiative […] auf pädophile Straftäter“ (ebd., 21) ziele, ist somit falsch. Der Initiativtext bezieht sich sowohl auf erwachsene Menschen, die Kinder vergewaltigen als auch auf erwachsene Menschen, die z.B. behinderten Menschen pornographisches Material zugänglich machen. Fragen, die sich bezüglich der Definition der „Beeinträchtigung der sexuellen Unversehrtheit abhängiger Personen“ stellen, werden nicht beantwortet, geschweige denn angesprochen. So bleibt beispielsweise unklar, wie bei sexuellen Handlungen zwischen geistig gesunden Menschen und geistig behinderten Menschen Faktoren wie gegenseitiges Einverständnis zur sexuellen Handlung, Grenzüberschreitung der subjektiven Wahrnehmung sexueller Belästigung oder Stigmatisierung solcher Beziehungen einen Einfluss auf Urteilsfindung hat. Eine Einbeziehung möglicher juristischer Fehlentscheide scheint hier ebenfalls wichtig zu sein.

Bereits verabschiedetes Gesetz macht Annahme der Initiative überflüssig

Die Bemühung, möglichst viele Menschen vor sexuellen Straftaten zu schützen, ist von allen Seiten anerkanntes Ziel. Darum wurde vom Parlament bereits im Dezember 2013 ein Gesetz verabschiedet, welches umfassender ist als der von der Initiative angestrebte Gesetzesparagraph: Das bereits verabschiedete Gesetz ermöglicht nicht nur ein Berufsverbot, sondern auch ein Kontakt- und Rayonverbot, sowohl für Sexualstraftäter_innen, als auch für Personen, welche wegen „Verbrechen und Vergehen“ (Erläuterungen des Bundesrats 2014, 19) an schutzbedürftigen Personen verurteilt worden sind. Es besteht demnach bereits ein Gesetz, welches „den Schutz von Kindern und anderen besonders schutzbedürftigen Personen verbessert“ (ebd., 23). Das Gesetz sieht ein Verbot zur „Ausübung beruflicher und organisierter ausserberuflicher Tätigkeiten“ (ebd., 19) vor, welches default auf 10 Jahre festgelegt ist. „Das Verbot kann so oft um bis zu fünf Jahre verlängert werden, wie es notwendig ist, um den Täter von Wiederholungstaten abzuhalten“ (ebd.). Damit wird die Annahme der Initiative unnötig.

Zur Frage der Verhältnismässigkeit

Die zeitliche Begrenzung eines (Berufs-)Verbots ist wichtig, da nur so die Verhältnismässigkeit von Straftat und Bestrafung derer gewährleistet ist. Man stelle sich vor, ein_e junge_r und unerfahrene_r Lehrer_in würde angeklagt, auf dem Schulausflug eine_n Schüler_in sexuell Misshandelt zu haben und würde fälschlicherweise verurteilt (wegen mangelnder Zeugen, Falschaussagen, uneindeutiger Sachlage) – dieser Person würde es dann für den Rest ihres Lebens den gelernten Beruf auszuüben, obwohl möglicherweise keine pädophilen Tendenzen vorliegen. Gleiches gilt für sogenannte „Jugendlieben“, obwohl dies das Initiativkomitees abzuschwächen versucht. Im vom Initiativkomitee veröffentlichten Factsheet zum Thema Jugendlieben wird auf teilweise unglücklich gewählte Fallbeispiele aus der Presse und dem gegnerischen Lager zwar reagiert, klare Stellungnahmen bezüglich dieses Themas sucht man auf der Initiativhomepage jedoch vergeblich. Einzig und allein steht das Versprechen, das Ausführungsgesetz werde das Problem der Jugendlieben regeln (vgl. Erläuterungen des Bundesrates 2014, 21). Ein solcher „Vertrauensvorschuss“, wie Flavia Frei von der Stiftung Kinderschutz Schweiz es in ihrem Interview im Beobachter vom 17. April 2014 nennt, hat in einer Abstimmung über einen Sachverhalt nichts zu suchen.

Schlussfolgerung

NEIN zur Volksinitiative “Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen”!

Die Behauptung, die Initiative betreffe auch sogenannte Jugendlieben, ist falsch: Die Initiative zielt einzig auf pädophile Straftäter. Dies wird das Ausführungsgesetz entsprechend regeln. Ebenso haltlos ist die Behauptung, die Initiative sei „unverhältnismässig“: Die Initiative erfasst nur verurteilte pädophile Sexualstraftäter. (Homepage des Iniativkomitees 2014)

Diesem Votum, welches auf der Homepage des Initiativkomitees aufgeschalten ist, muss vehement widersprochen werden. Wie die oben stehenden Ausführungen gezeigt haben, „zielt die Initiative“ nicht nur auf pädophile Straftäter_innen, sondern auch auf solche, welche – ungeachtet der Schwere des ‚Vergehens‘ – die sexuelle Unversehrtheit von Kindern und schutzbedürftigen Menschen beeinträchtig haben. Das Initiativkomitee spielt hier nicht mit offenen Karten. Zudem ist die Initiative durchaus „unverhältnissmässig“, da ein lebenslanges Berufsverbot je nach Fall eine übertriebene und nicht zweckmässige Bestrafung darstellt. Es kann nicht sein, dass sich in Zukunft Personen, welche mit schutzbedürftigen Menschen arbeiten, ständig davor fürchten müssen, der „Beeinträchtigung der sexuellen Unversehrtheit“ schutzbedürftiger Personen angeklagt zu werden und somit das Recht auf die Ausübung des gelernten Berufes (z.B. Lehrberuf) oder eines geliebten Hobbys zu verwirken. Das bereits verabschiedete Gesetz bietet einen ausreichenden Schutz schutzbedürftiger Menschen und verharmlost Pädophilie oder Sexuelle Misshandlung in keiner Weise.

Ausblick

Zudem würde die Annahme der Initiative den Bundesrat, das Parlament und die Gerichte in eine Zwickmühle bringen. Würde die Initiative nämlich wortgetreu umgesetzt, würde das Prinzip der Verhältnismässigkeit, welches in der Bundesverfassung festgehalten ist, verletzt (vgl. Bundeskanzlei 2014, 22-23). Das Versprechen des Initiativkomitees, dass Jugendlieben nicht unter das Gesetz fallen würde, entpuppt sich dann möglicherweise als ein leeres. Sollte die Initiative abgeschwächt umgesetzt werden, würde gegen den Volkswillen verstossen und die Annahme der Initiative würde noch hinfälliger (da das bereits verabschiedete Gesetz ausreichend ist).

Ausserdem erscheint es mir wichtig, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass kein Gesetz der Welt es jemals schaffen wird, alle Übergriffe – seien es handgreifliche, sexuell motivierte oder psychische – auf Kinder und andere schutzbedürftige Menschen, zu verhindern. Wie Flavia Frei es in ihrem Interview auch erwähnt, sind präventive Massnahmen wie eine ausreichende Aufklärung von Kindern und eine erhöhte Wachsamkeit von Erwachsenen im Alltag und in den eigenen Reihen wohl der beste Schutz für Kinder.

Quellen

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